MICHEL
FOUCAULT
"In
den diskurs, den ich heute zu halten habe, und in die diskurse,
die ich vielleicht durch jahre hindurch hier werde halten müssen,
hätte ich mich gern verstohlen eingeschlichen. Anstatt das
wort zu ergreifen, wäre ich von ihm lieber umgarnt worden,
um jedes anfangens enthoben zu sein. Ich hätte gewünscht,
während meines sprechens eine stimme ohne namen zu vernehmen,
die mir immer schon voraus war: ich wäre es dann zufrieden
gewesen, an ihre worte anzuschließen, sie fortzusetzen, mich
in ihren fugen unbemerkt einzunisten, gleichsam, als hätte
sie mir ein zeichen gegeben, indem sie für einen augenblick
aussetzte. Dann gäbe es kein anfangen. Anstatt der urheber
des diskurses zu sein, wäre ich im zufall seines ablaufs nur
eine winzige lücke und vielleicht sein ende."
Der
berühmte beginn von Michael Foucaults antrittsvorlesung "L'ordre
du discours" (dt. "Die Ordnung des Diskurses"),
1970, auf dem neu gegründeten lehrstuhl Geschichte der Denksysteme
am Collège de France befasst sich mit dem stellenwert
der autorschaft in literarischen aber auch nicht-literarischen texten.
Michel
Foucault, französischer sozialphilosoph, psychologe und
soziologe, 1926 in Poitiers geboren, 1984 in Paris gestorben, lehrte
unter anderem an der Universität Paris III. von Vincennes,
die eine gründung der Pariser studentenunruhen von 1968 ist.
Einen
großen teil seiner arbeiten widmete er der genealogie des
wissens, also der frage, auf welche weise wissen und denksysteme
("episteme") innerhalb verschiedener gesellschaftsformationen
und zeiten und unterschiedlicher machtkonstellationen entstanden,
sich durchdrangen und veränderten ("Die Archäologie
des Wissens", 1969). Die politischen ereignisse in Frankreich
veranlassten Foucault auch, sich ins tagesgeschäft der politik
einzumischen und sich mit den rechten politischer gefangener zu
beschäftigen.
NUMMER 6 ALS DISKURS
MEHR ÜBER FOUCAULT BEI WIKIPEDIA
M. KEITH BOOKER: DER POSTMODERNE PRISONER
KEVIN P. MAHONEY: DER ANARCHISCHE PRISONER
In "Überwachen und Strafen - Die Geburt des Gefängnisses"
(1975), einer seiner hauptarbeiten, analysiert er anhand historischer
quellen, und getreu seiner "archäologischen" vorgehensweise,
systeme der macht. Seine analysen betonen dabei stets die wechselseitige
verschränkung von macht, die, weit davon entfernt, nur pure
repression zu sein, stets wissen hervorbringt, das seinerseits konstitutiv
für macht ist. Als ergebnis bleibt, das individuum -
im westeuropäischen abendländischen denken häufig
auch mit der "seele" des menschen identifiziert - ist
ein produkt vielfältiger wissensanhäufung und wissenschaftlicher,
nämlich religiöser, medizinischer, juristischer und naturwissenschaftlicher
diskurse, die in etwa mit dem zeitalter der aufklärung ihren
siegeszug begannen. Die lehre vom menschen erweist sich so als immer
detailierteres intimes wissen, das ihm fraglos nützt, aber
genauso gegen ihn nutzbar gemacht werden kann.
Als
archetyp des modernen überwachungs- wie auch wohlfahrtstaates
gilt ihm ein von dem Engländer Jeremy Bentham im 18. jahrhundert
entworfenes (aber so nie realisiertes), auf dem prinzip des panoptismus
beruhendes gefängnisgebäude. Jeder insasse steht darin
zumindest potenziell zu jedem zeitpunkt unter beobachtung eines
wärters von einem zentralen turm aus.
Ziehen wir die linie
also weiter ins fiktive Village der fernsehserie NUMMER
6...
Und
während Nummer Sechs seine persönlichkeit und sein menschsein
zu behaupten sucht, liegt die bittere ironie darin, dass er, zumal
als angehöriger des staatsdienstes, bereits vielfach "gescannt",
unter die lupe genommen und beurteilt wurde. Wie sich in der ersten episode zeigt, schon von kindheit an. Erst aufgrund des gesammelten
wissens in form seiner offenbar von kindesalter an existierenden
akte wurde aus einem amorphen bild das individuell abgerundete profil
eines individuums, das er gern bleiben oder werden möchte.
Die interessante frage in diesem zusammenhang ist demnach, ist im
informationszeitalter ein schritt zurück hinter diese erkenntnislage
überhaupt möglich?
Foucaults interesse in seinem spätwerk kreist beständig
um die sexualität als konstituierende gesellschaftliche kraft
("Sexualität und Wahrheit", in drei bänden).
MICHEL
FOUCAULT
"I
would really like to have slipped imperceptibly into this lecture,
as into all the others I shall be delivering, perhaps over the years
ahead. I would have preferred to be enveloped in words, borne way
beyond all possible beginnings. At the moment of speaking, I would
like to have perceived a nameless voice, long preceding me, leaving
me merely to enmesh myself in it, taking up its cadence, to lodge
myself, when no one is looking, in its interstices as if it had
paused an insttant, in suspense, to beckon to me. there would have
been no beginnings: instead, speech would proceed from me, while
I stood in its path -- a slender gap -- the point of its possible
disappearance."
FORMER GERMAN EDITIONS
The
famous first paragraph of Foucault's inaugural lecture "The
Order of the Discourse" held in 1970 at the Collège
de France. At the centre of his speech here is the question of the authorship of fictional as well as non-fictional texts.
The
work of French philosopher, psychologist and sociologist Michel
Foucault (born 1926 in Poitiers, died 1984 in Paris) can indeed
be used as a way of reading the television series THE PRISONER.
This was done in an article written more than 20 years ago by Kevin
Patrick Mahoney the translated version of which can be read on this
website (more...).
The original is no longer available on the web.
THE PRISONER AS A DISCOURSE
MORE: MICHEL FOUCAULT ON Wikipedia (English language)
In
the series THE PRISONER, now coming full circle, the efforts of the central character Number Six to resist
coercion to cooperate and being screened ("pushed, filed, stamped,
indexed...") bear some very bitter irony. Because, the individual
he claims to be, or to become again, in turn is the very product
of multiple knowledge about him that was being collected from as early as when he was a child. The reciprocal process of the accumulation
of knowledge on humans and the execution of power is described by
Foucault in his book "Discipline And Punish - The Birth
of the Prison".
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