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Ein eher offenkundiges beispiel wäre etwa die vorgetäuschte lobotomie an Nummer Sechs in "A Change Of Mind". Ebenso deutlich ist die armee- und schuldisziplin in "Pas de deux", wo Nummer Sechs jeweils in das stadium seiner sozialisation innerhalb dieser institutionen zurückgeführt wird. Das dilemma für Nummer Zwei besteht aber darin, dass er wie ein foltermeister "der regel gehorchen musste, dass, wenn der beschuldigte durchhielt und nicht gestand, er alle anklagen fallenzulassen hatte", was ein sieg für das folteropfer war (73). Das geständnis gehört zu Foucaults beliebtesten themen, ebenso ist es das bei den verschiedenen Nummer Zweien. ... Foucault
schreibt auch über die norm. Die norm entsteht durch eine unerbittliche
erforschung jedes einzelnen subjekts. Im modernen zeitalter liegt
die "schwelle der erfassung" (76) sehr tief. Wohingegen
früher nur die wenigen privilegierten näher beschrieben
wurden, geschieht das nunmehr mit jedem - jedem einzelnen. "Es
handelt sich um eine methode der kontrolle und herrschaft"
(77). Dabei werden so viele daten gesammelt, woraus schließlich
eine fiktive norm erstellt werden kann, aus der alle unterschiedlichen
individuellen schattierungen hervorgehen" (78). In der
episode "Die Ankunft" findet Nummer Sechs zu seinem erschrecken
heraus, dass es eine umfassende akte über ihn gibt. Ironischerweise
stellen gerade die informationen darin den prozess dar, durch den
er erst zu einem indiviuum wird. Also sind Nummer Sechs' versuche,
ein "freies" individuum zu sein, ein widerspruch in sich,
da es individuen, die noch nicht erfasst worden sind, nicht geben
kann. ... BENTHAMS PANOPTICON Überwachung ist nötig, um die subjekte zu kontrollieren. Foucault widmet einen großteil seiner schrift Benthams konzept des panoptikums. Dies besteht aus einem hohen turm im zentrum des gefängnisses, von dem aus jeder gefangene zu jeder zeit beobachtet werden kann. Das panoptikum des Ortes befindet sich höchstwahrscheinlich im haus von Nummer Zwei, dem grünen kuppelgebäude. Es ist allerdings egal, wo das panoptikum tatsächlich steht, denn jede ecke des Ortes wird mittels kameras und radar überwacht. Der kontrollraum funktioniert perfekt: "Der insasse darf nie wissen, ob er in diesem moment überwacht wird, aber er muss sicher sein, dass es jederzeit der fall sein kann" (80). ... PSYCHOANALYTISCHE PERSPEKTIVEDie episode "Demaskierung" unterscheidet sich deutlich von den vorhergehenden. Als zuschauer hört man überrascht die Beatles mit "All You Need Is Love" (mehr...) anstelle der kinderreime, die zuvor im mittelpunkt standen. Dieser eindruck wird von einem bericht Angela Carters unterstützt, die 1968 von bands aus den ärmsten gegenden Großbritanniens, wie etwa Liverpool, erzählte, wie erfolgreich diese die musik der schwarzen aus dem süden der USA adaptierten. Deshalb kann es kein zufall sein, dass Nummer 48 ein negro-spiritual, "Dry Bones", singt. McGoohan würdigte die renaissance der britischen popmusik auf spektakuläre weise. Angela Carter gibt auch einen möglichen grund dafür an, warum die kulturelle elite hippies nicht mochte. Sie beschreibt, wie sich eine ganze generation gegen den amerikanischen imperialismus wandte, insbesondere gegen den krieg in Vietnam.
Wie Kenneth Griffith, der Präsident (anm.: der versammlung in "Demaskierung"), sagt, ist "dieses verhalten gefährlich und trägt nichts zu unserer kultur bei, man muss es auslöschen." Hippies mögen individualistisch gesinnt sein, aber sie hatten kollektive überzeugungen. Vielleicht ist es ein hinweis auf Vietnam in "Demaskierung": als die rakete startet und Rover zerstört... Niemals ganz ohne angstvolle gedanken an den nuklearen holocaust ist diese episode mit dem (original-) titel "Fallout". Über der gesamten handlung dräut die rakete in diesem besonderen bunker. ... Und doch, wie hilfreich Foucaults theorien bei der analyse von NUMMER 6 auch sein mögen, man kommt um die schlussfolgerung nicht herum, dass diese serie aus psychoanalytischer perspektive geschrieben worden sein muss. Und zwar durch die tatsache, dass Nummer Sechs in "Demaskierung" entdeckt, dass er von sich selbst gefangen gehalten wurde. Die ganze serie muss wie ein psychodrama interpretiert werden. ... AUTORENTHEORIEPatrick McGoohan hatte den hang, sein eigenes leben in seine arbeit einfließen zu lassen. So ist das geburtsdatum, das Nummer Sechs in "Die Ankunft" gibt, dasselbe wie McGoohans. Max Hora schreibt, "die epsiode "Pas de deux" lehnt sich dicht an McGoohans eigenes leben an" (121). ... NUMMER 6 hatte das potenzial, später erfolgreicher (als beim ende der erstausstrahlung; anm.) zu sein. Der erfolg dieser vielfarbigen serie wurde auch dadurch gehemmt, dass sie bei der erstsendung nur schwarzweiß war. ... Bis 1984 (passenderweise) musste NUMMER 6 warten, bis man sie zur gänze würdigen konnte. ... Wenn jemand die autorenschaft beim fernsehen beanspruchen kann, dann McGoohan. Bei drei episoden hatte er einen nie zuvor gekannten einfluss, nicht nur als hauptakteur, sondern auch als ausführender produzent, autor und regisseur. ... Nummer Zwei unternimmt im "embyoraum" einen psychoanalytischen versuch, das leben von Nummer Sechs zu erforschen. ... Als lehrer versucht er ein geständnis zu erlangen. ... Nummer Sechs erlebt in form einer regression noch einmal einen zwischenfall an seiner schule, er weigert sich sich jedoch zu verraten, wer im unterricht geredet hatte. McGoohans großer einfluss auf die produktion von NUMMER 6, besonders seine regiearbeit, rechtfertigt wahrscheinlich, die autorentheorie zu vertreten. Diese wurde ursprünglich in der französischen zeitschrift Cahier du Cinéma entwickelt. Das konzept basiert auf der "mise en scène": "all die verschiedenen elemente, die für die etablierung einer filmischen einstellung erforderlich waren" (136). Dazu wurden die arbeitsweisen VILLAGE-PANOPTISMUS II verschiedener regisseure untersucht und warum die einen besser waren als andere. "Auteur" war der begriff, um einen einzelnen urheber eines films zu identifizieren. McGoohan führte jedoch bei nur vier der 17 episoden regie. Carraze und Oswald berichten, McGoohan habe bei seinen episoden auch die hilfe anderer regisseure erhalten: "Man kann sich nur schwer vorstellen, dass Don Chaffey tatenlos zugesehen und seinem freund nicht geholfen hätte" (137). "Demaskierung" z.b. wurde in einer solchen eile produziert, dass Kenneth Griffith seinen part (als versammlungspräsident; anm) selber schrieb. So unfertig war McGoohans drehbuch (138) - und daran kaum etwas von einem autorengott. Es gibt eine weitere dimension, denn "was filmkritiker oft sagen, ist der eindruck, dass der star eines films im endeffekt womöglich in seiner aussage liegt" (139). ... Und genau diese frage der autorenschaft brachte die produktion von NUMMER 6 zum zerreißen. In einem ITV-interview bestand George Markstein, der script editor, darauf, er sei der autor (143). Er habe die vorlage für den Ort geliefert. Als journalist hatte er einen ort in Schottland entdeckt, Invelair Lodge, wo die britische regierung während des Zweiten Weltkrieges personen mit sensiblem wissen festgesetzt hatte. Und ironischerweise spielt Markstein auch eine rolle in der öffnungssequenz jeder episode. Er ist der mann im unterirdischen büro, dem der agent seine rücktrittspapiere übergibt. McGoohans und Marksteins stürmische beziehung wurde demnach woche für woche auf den bildschirmen dramatisiert! Und das sollte sich als prophetisch erweisen, wenn auch die rollen umgekehrt waren, als Markstein vier episoden vor schluss verärgert das handtuch warf. Er schrieb: "Niemand will etwas über drehbuchautoren wissen, darsteller verkaufen eine serie ans publikum! Einer der gründe dafür, dass ich ging, war, dass er (McGoohan) die alleinige urheberschaft für jegliche kreative idee oder ein konzept von irgendjemand beanspruchte" (144). Von NUMMER-6-fans wird McGoohans autorenrolle überaus betont. In ihrem eifer, so viel wie möglich über die herstellung der serie herauszufinden, übertreiben sie es jedoch. ... Ebenso gut könnte Sir Clough Williams-Ellis, der architekt von Portmeirion, Markstein die urheberschaft für den entwurf des Ortes bestreiten. Das modell der zusammenarbeit bei fernsehproduktionen ist also weit davon entfernt, perfekt zu sein. Eine lösung wäre vielleicht, wenn man fernsehproduktionen als "polyphonisch" (aus vielen stimmen bestehend) betrachten würde. Dies stammt aus Michail Bachtins literarischen kritiken, "um sich gegen mimetische und einstimmige vorstellungen eines textes" zu wenden (146). ... So erhielten alle an der herstellung von NUMMER 6 beteiligten ihren credit. Zudem, fernsehproduktionen lassen gewöhnlich keine individuellen stimmen von künstlern zu (vielleicht deshalb, dass sie so rar sind): "Man musste zugestehen..., dass genau diese einstellung, kommerzieller selbstmord, NUMMER 6 zu einem künstlerischen meisterstück werden ließ" (148). VILLAGE-PANOPTISMUS III Nummer 9190771: Bei der recherche über NUMMER 6 habe ich mir die episoden mehrmals angesehen. Und jedes mal ergab sich eine neue bedeutung. Die episoden blieben dieselben, aber ich hatte mich verändert. Als ich zum beispiel 1984, im alter von 12 jahren, das erste mal "Demaskierung" sah, hat mich das schockiert und abgestoßen. Ich war nicht fähig, mich damit zu beschäftigen, um die episode zu verstehen. So etwas hatte ich im fernsehen noch nicht gesehen. 12 jahre später und nach einem halben jahrzehnt universitätsausbildung sieht es so aus, alb ob es viel mehr sinn ergibt. Genauso ist meine wertschätzung für die folge gewachsen. ...
Man
mag nun argumentieren, dass diese lesart zu sehr auf der französischen
theorie aufbaut. Es gibt jedoch innerhalb von SIX OF ONE, dem fanclub,
"die französische abteilung, die drittgrößte
nach Großbritannien und Nordamerika" (155). Patrick
McGoohan schrieb "Demaskierung" im gedanken an Samuel
Beckett, der auch eine große gefolgschaft in Frankreich hatte.
Wenn "der text ein geflecht von zitaten ist, die unzähligen
kulturellen zentren entstammen" (156), dann sind allerhand
subversive lesarten erlaubt. "Der Tod des Autors" von
Roland Barthes wurde 1968 veröffentlicht. In Frankreich
wurde NUMMER 6 [anm.: LE PRISONNIER] 1968 gesendet (157).
NUMMER 6 vermied einen schlüssiges ende - die erste einstellung
ist genau dieselbe wie die letzte, Nummer Sechs in seinem sportwagen
auf einem leeren highway. McGoohan selbst drückte es so aus:
"Erklärungen verringeren das, worum es bei der sache
ging: ein allegorisches rätsel, das die leute selbst deuten
müssen" (158). Barthes schrieb, wahrhaftig revolutionär
sei es, sich gegen festgelegte bedeutungen zu wenden (159). Wenn
es also so einfach ist, die theorie von Foucault auf NUMMER 6 anzuwenden,
könnte es dann sein, dass die serie die theorie beeinflusst
hat? ... LESEN MENSCHLICHE TÄTIGKEITNummer
2: Und wie begründen sie ihre behauptung? Wenn es zeitweilig danach aussieht, dass schreiben über NUMMER 6 und kulturelle studien das gleiche sein könnte, dann vielleicht deshalb, weil sie ein gemeinsames thema haben: "'The Village' (anm.: der Ort) in NUMMER 6 könnte die welt als mikrokosmos sein. Und die gesamte serie ... wurde von Patrick McGoohan als 'sozialer kommentar' über gesellschaft allgemein bezeichnet" (162). Darum öffnet sich die tür zu Nummer Sechs' Londoner wohnung mit demselben automatischen summen wie die im Ort - in jeder gesellschaft wäre er ein gefangener. ...
VILLAGE-PANOPTISMUS IV Lesen
durchdringt jede menschliche tätigkeit. Wir lesen nicht nur
bücher oder filme - wir lesen auch menschen. ... Die art und
weise, wie wir bücher lesen, ist ähnlich der, wie wir
menschen lesen - und alles andere auch. Wie sonst könnten wir
glauben, wie Nummer Zwei in "Hammer oder Amboss", dass
in der kuckucksuhr eine bombe wäre? Wir nehmen die körpersprache
von Nummer Sechs als bedrohlich wahr. Wenn Lacans theorie davon
spricht, dass wir alle uns innerhalb von sprache befinden, dann
meint er nicht etwa die geschriebene oder gesprochene, französisch
oder deutsch. Unsere wahrnehmung versteht viele sprachen. Man mag dieses existenzialistische konzept als unwissenschaftlich abtun, aber diese lesart von NUMMER 6 wollte sich an Barthes orientieren. Um wahrhaftig "revolutionär" zu sein, muss man, wie Nummer Sechs, "vernunft, wissenschaft, gesetz" zurückweisen. In dieser auseinandersetzung wurde versucht, so revolutionär wie jener text zu sein. Jetzt muss man nur noch ein schlüssiges ende vermeiden -
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1)
Alain Carraze, Hélène Oswald: The Prisoner, 1990/1995 Dieser beitrag wurde 2007 im mitgliedermagazin "Free For All" der Prisoner Appreciation Socity SIX OF ONE abgedruckt. Der originaltext unter http://www.authortrek.com/patrick_mcgoohan_page.html ist nicht mehr online. Bei der "Wayback Machine" unter archive.org ist nur das schlusskapitel einzusehen. |
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"Wir sehen uns!" oder L'année dernière au Village · The Prisoner · Nummer 6 | |||||||||||||||
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