
50 JAHRE NUMMER 6 ODER:
DARF'S NOCH EIN GAST MEHR SEIN?
Ein Rückblick aus persönlicher Perspektive
von Arno Baumgärtel (Website-Betreiber)
Als 2017 in den britischen Medien nach und nach der 50. Jahrestag der Fernsehpremiere
von THE PRISONER im Königreich gewürdigt wurde (und manche taten das bereits 2016,
als nämlich 1966 die Dreharbeiten begannen), war uns, nr6de, den freunden & förderern,
sofort klar, dass wir das Jahr 2019 nicht einfach so würden vorbeiziehen lassen können.
Denn NUMMER 6 – 50 Jahre, das ist eine Hausnummer. Eine Fernsehserie aus den 60er
Jahren des 20. Jahrhunderts, das einem, obwohl selbst erlebt, wie aus einer fernen
Vergangenheit vorkommt. Deren innovative Erzählweise Maßstäbe für spätere
Fernsehsehproduktionen gesetzt hat und über deren visionäre Kraft noch immer diskutiert
wird.
Eine Tagesveranstaltung würde es werden. Und angesichts der eigenen Möglichkeiten
schien eine Besucherzahl um die 50 realistisch und eine erfreuliche Größenordnung. Zwar
sollte die Botschaft durchaus "in die Welt hinausgetragen" werden, aber zugleich war uns
bewusst, dass NUMMER 6 in Deutschland ein Nischenthema ist und bleiben wird.
Die Informationsverbreitung über die "sozialen Medien" wollten wir bei aller Skepsis nicht
links liegen lassen, aber ebensowenig wollten wir mit der großen Zahl liebäugeln. Und auf
neugieriges Eventvolk hatten wir gar keine Lust. Also erfolgte die Ankündigung eher
konservativ in den einschlägigen Foren und als Pressemitteilung an die klassischen
Nachrichtenmedien. Zusätzlich allerdings gingen mehrere spektakuläre 30-sekündige
Videotrailer als Appetithappen, auf die man immer wieder verweisen konnte, bei einem
Videoportal online.
Beim ersten Vorbereitungstreffen im Herbst 2018 wurde der Termin 12.10.2019
beschlossen, und es wurden die inhaltlichen Ecksteine für die Veranstaltung gesetzt. Wie
schon 2009 zum 40-jährigen sollte es ein selbstgeschriebenes und inszeniertes
Theaterstück geben, eine Ausstellung mit Informationstexten, Büchern, Postern,
Infomaterialien und Sammlerstücken rund um die Serie. Ein Programmpunkt würde
Synchronregisseur Joachim Brinkmann sein, mit dessen Witwe Alice wir mehrmals
Kontakt gehabt hatten. Und dazu ein Gast, der diesmal, ganz angemessen, aus
Großbritannien kommen sollte.
Und weil all das einiges Geld kosten würde, die Reisekosten und der Aufenthalt,
beschlossen wir, einen Spendenaufruf zu machen. Die Spenden reichten am Ende, knapp
50 Euro blieben übrig (für eine gedruckte Broschüre), wofür wir sehr dankbar sind. Nur am Rande erwähnt seien die ohne Vergütung
geleistete Arbeit durch Teammitglieder sowie privat bezahltes Material für
Ausstattungsgegenstände oder auch Essen und Getränke.
Gast Nr. 1, und bereits frühzeitig mit seiner Zusage, war Alan N. Shapiro, US-
Medienwissenschaftler und Gastprofessor an verschiedenen Hochschulen.
Praktischerweise wohnt er in Frankfurt, wo wir uns gelegentlich treffen. Er hält NUMMER 6 für die intelligenteste Serie, die jemals fürs Fernsehen gemacht wurde. Er ist ein erklärter
Fan, wenn auch einer nicht mit buntem Cape und Regenschirm, sondern ein intellektueller.
Der quasi "natürliche" Gast (Nr. 2) für 50 JAHRE NUMMER 6 war Dave Barrie, 1976
Gründer der PRISONER Appreciation Society "Six of One", Autor wichtiger Artikel (in den
Clubmagazinen) über die Serie, während der Conventions Diskussionspartner der Ehrengäste sowie beliebt als Tourguide durch Portmeirion und überdies ein langjähriger
Freund. Dave (72) brachte alles in einer Person mit: ein lebenslanger Fan der Serie und
durch seine jahrzehntelange Beschäftigung den Diskurs wie das Fanwesen betreffend
auch Theoretiker und Historiker. Doch Dave kämpft mit gesundheitlichen Malaisen, der
Gedanke an eine längere Reise war ihm unangenehm. Um ihm die Sache schmackhaft
und die Reisestrapazen erträglicher zu machen, war unser Vorschlag, nicht nur zur
Veranstaltung, sondern für ein paar Tage länger zu kommen. Dafür hatten wir ihm
ein privates Quartier angeboten. Ausflugsmöglichkeiten in Hessen waren schon auf
dem Papier vorbereitet. Auf der Convention im April wollten wir mit ihm näher darüber
sprechen.
Doch Dave kam uns zuvor, indem er Eric Mival - Gast Nr. 3 - ins Spiel brachte. Eric,
inzwischen 80 Jahre alt, gehört zu den wenigen noch lebenden 1967 substanziell an der
Produktion Beteiligten (derzeit sind das: Eric Mival, Ian L. Rakoff, Tony Sloman und John
S. Smith) und hat gut 18 Monate hauptsächlich als music editor an NUMMER 6 gearbeitet. Er kannte auch McGoohan persönlich.
Seine Autobiografie "Cutting Edge" ist 2016
erschienen. Eric spricht zudem etwas Deutsch, einer seiner Söhne lebt in Deutschland.
Außerdem würde er der Ehrengast der 2019er Convention sein. Und das, so Daves
Kalkül, wäre die Gelegenheit, ihn selbst zu fragen, ob er nicht bereit wäre, nach
Deutschland zu kommen. Alle deutschen Freunde von nr6de hätten somit ihren Spezialgast
gehabt.
Daves Vorschlag hatte durchaus seinen Reiz, wann sonst bekommt man einen
leibhaftigen PRISONER-Beteiligten von solchem Kaliber ins Haus, jemand, der nicht nur
eine nicht-sprechende Nebenrolle hatte?
Aber von Beginn an schwebte ein weiterer Name (als Gast Nr. 4) im Raum: Bernd Rumpf.
Seit der Synchronisation der vom ZDF ausgelassenen Episoden 2010 durch ARTE
standen wir mit ihm im Kontakt. Bernd erhielt regelmäßig Grußkarten von den Fahrten
nach Portmeirion und zu Weihnachten, und meistens antwortete er auch darauf. Nie hatte
man den Eindruck, dass es nur Höflichkeit war, sondern wirkliches Interesse. Pläne,
gemeinsam zu einer Convention zu fahren, musste er leider wiederholt absagen, weil sein
Terminkalender es nicht zuließ.
Obwohl Bernd als Synchronstimme von Patrick McGoohan nur in vier Folgen zu hören ist,
hatte er Horst Naumann voraus, dass er wusste, um was es in
der Serie ging und sie schätzte, während Naumann - 1969 in 13 Episoden - praktisch ahnungslos gewesen war
bei dem, was er da synchronisierte. Erst 2015 hat Naumann einige, inzwischen vielleicht
sogar alle, Episoden am Stück zu sehen bekommen. Bernds Beteiligung versprach
interessant zu werden.
Bernds Reaktion auf die Einladung: Er würde gern kommen. Wir waren erleichtert und doch auch etwas erstaunt. Aber für längere Zeit war das das letzte, was wir von ihm
hörten. Es blieben ein paar organisatorische Fragen zu klären. Schließlich legten wir die
Einladung an Bernd gedanklich in die "Resigned"-Schublade des Serienanfangs und
fuhren mit den Vorbereitungen fort. Irgendwann sickerte die vage Nachricht durch, dass
Bernd krank sei. Doch niemand wusste Genaues.
April 2019: PRISONER-Convention, Portmeirion. Aus meiner persönlichen Sicht die
schönste und rundum gelungenste seit meiner "Rückkehr" 2011 nach 20 Jahren. Das hat
vor allem mit Eric Mival zu tun, der diesjährige Ehrengast.
Gleich am Nachmittag des
Ankunftstages kam Dave Barrie und verriet uns, dass er die "Aufsicht" über den Gast hätte
und dass er ihn uns vorübergehend anvertrauen würde, dann könnten wir ihn wegen 50
JAHRE NUMMER 6 fragen.
So kam es zu einem spontanen, für Eric (aus dem
beschaulichen Hotelambiente herausgerissen) vielleicht sogar überfallartigen Abendessen. Der ohnehin sehr beengte Essplatz im "Battery"-Cottage war mit zehn Personen heillos überfüllt, was der Stimmung aber keinen Abbruch tat. Eric, sehr liebenswürdig und
umgänglich, gutmütig, war für fast alles zu haben, was sich während der Convention
neben seinem offiziellen Auftritt an Aktivitäten und Gesprächen anbot. Wir erklärten Eric
unsere Absicht, er sagte, er müsse mit seiner Frau sprechen. Aber im Grunde war er
positiv gestimmt.
Beim sonntäglichen Abendessen im Castell Deudraeth klärte Dave Barrie uns über seine
gesundheitlichen Probleme auf, die ihn tatsächlich stark
beeinträchtigen. Wir sprachen über das Reisen, unsere Veranstaltung sowie über die Tage danach und das Angebot,
privat zu übernachten. Dave bat um mehr Zeit, um in sich
hineinzuhorchen. Die bekam er. Kurz nach der Convention traf Erics Zusage ein. Sein Flug
war schnell gebucht.
Somit hatten wir, von Alan Shapiro abgesehen, unseren Ehrengast.
Die Vorbereitungen für den 12.10. gingen weiter. Das Tagesprogramm machte mehrere
Transformationen durch. Denn offen war nach wie vor, ob Dave nun kommen würde oder
nicht, und auch die Sache mit Bernd Rumpf ließ Unwägbarkeiten entstehen und machte
Alternativszenarien nötig.
Noch im April meldete sich aus den USA Karl Frunz, Betreiber der Website "The Eternal Village". Er fragte, ob ich als deutscher Website-Betreiber bereit wäre, ein Interview für seine
Podcast-Reihe (insgesamt 25 erschienen) zu geben. Ich war. In einem früheren Podcast hatte Karl über sein Interesse an einem Besuch in England und in Portmeirion gesprochen. Und weil
der vorgesehene Zeitraum, Mitte Oktober, gepasst hätte, schrieb ich ihm, wenn schon in
Europa, ob er nicht auch einen Abstecher nach Gießen machen wollte. Die Aussicht auf noch einen Gast amüsierte uns.
Und ein bisschen Galgenhumor war auch dabei.
Um es kurz zu machen, es kam zu keinem Besuch in Europa, also auch kein Gast Nr. 5.
Karl hat die "The-Eternal-Village"-Website inzwischen geschlossen und widmet sich
anderen Dingen, bleibt NUMMER 6 aber verbunden.
Immer noch offen war unterdessen, ob Dave Barrie zusagen würde. Er war merklich mit
sich am Ringen um die richtige Entscheidung. Der Geist sage "ja, ja", der Körper "nein".
Und letzten Endes blieb es beim "Nein", denn quälen sollte er sich ja nicht. Schließlich übermittelte er eine Videobotschaft und beantwortete unsere Fragen vor der Kamera.
Anfang Mai erreichte uns unerwartet die Nachricht von Bernd Rumpf: 'Wir (er und
seine Frau Roswitha) kommen, freuen uns sehr, haben das Hotel schon gebucht'. Im Anschluss an
die Veranstaltung planten sie, in Urlaub zu fahren. So überraschend das kam, so groß die Freude. Diese Neuigkeit ließ allerdings den mühsam zurechtziselierten Tagesplan
wieder zu Makulatur werden.
Aber die Freude hielt nicht lange. Kurze Zeit nach seiner Zusage ging es Bernd
gesundheitlich zunehmend schlechter, Krankenhausaufenthalte folgten. Als Roswitha
davon sprach, dass Bernd auf die Palliativstation verlegt worden sei, war klar, dass er es
nicht schaffen würde. Wir starteten noch den Versuch, Bernd ähnlich wie Dave für ein
Videointerview zu gewinnen. Es reichte aber nur noch für ein paar schriftlich beantwortete Fragen (in der
Jubiläumsbroschüre abgedruckt), aber das schon mit letzter Kraft. Trotzdem, so Roswitha,
habe ihm der Kontakt mit uns und all die Wünsche bis zum Schluss Auftrieb gegeben.
2019: 50 JAHRE NUMMER 6
2009: 40 JAHRE NUMMER 6

WIR BLEIBEN VERBUNDEN
NEULICH IN DER S-BAHN: KLEINE GESCHENKE DES
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In der Rückschau hat die Vorstellung, möglicherweise fünf Gäste auf einer Halbtagesveranstaltung zu haben, etwas
Groteskes. Schließlich hätten ja auch alle zu Wort kommen sollen. Nicht auszudenken die logistischen Umstände (von "Problemen" möchte ich
hier ungern sprechen), auch die finanziellen Aspekte, wenn außer den feststehenden
Gästen Alan Shapiro und Eric Mival auch Dave Barrie und seine Frau Moo, Bernd Rumpf
und Roswita sowie, wenn auch eher als Zaungast, Karl Frunz angereist wären.
Im Endeffekt können wir froh sein, dass unser dicht gepacktes Tagesprogramm mit zwei Gästen praktisch reibungslos über die Bühne gegangen ist. Ein paar mehr
Verschnaufpausen, Neudeutsch: Entschleunigung, hätten dem Programm freilich gut
getan. Aber so war es nun mal.
P.S.
Dank an Buchautor (über NUMMER 6) und Medienjournalist Harald Keller für den seit
etwa 2004 anhaltenden gelegentlichen Kontakt. Er war ein potenzieller Einladungskandidat und somit
Gast Nr. 6, jedoch am Tag unserer Veranstaltung verhindert. |