lebensstile. Alte
ansichten und altmodische traditionen wurden weggefegt, ein exzessiver
konsumismus war für mehr experimentierfreudigkeit
in moralischen dingen, der mode, kunst, musik und unterhaltung
allgemein verantwortlich.
In
diese situation brach LSD ein - das mächtigste halluzinogen,
das jemals erschaffen wurde. Bereits mitte der 60er jahre hatte
die droge unter tätiger mithilfe von philosophen, psychiatern,
AUS DEM ENGLISCHEN VON ARNO BAUMGÄRTEL |
psychologen und schriftstellern den ruf eines wundermittels mit
quasi-religiösen und mystischen obertönen und in verbindung
mit anderen halluzinogenen wie mescalin, haschisch und psilocybin
("magic mushrooms) errrungen. Geruchlos, farblos, geschmacklos
und unglaublich wirksam - 100 mikrogramm reichen aus für
eine "erfahrung" oder einen "trip" von bis
zu acht stunden dauer - so wurde LSD wie etwa die Carnaby Street
oder die Speakeasy Disco zum bestandteil von "Swinging London".
Die
popidole dieser tage zog es im großen stil zur droge, und
bald wurden die verstandeserweiternden eigenschaften auch im lied
besungen. Um LSD herum entstand eine neue musik und kultur, die
man alsbald die "psychedelische revolution" nannte (der
begriff wurde von frühen experimentierenden in den USA geprägt).
In
LSD sah man flucht, einen ausweg zu neuen fantastischen erfahrungen.
Allerdings erzeugte LSD mehr als nur bunte farben und komische
visionen. Für viele bedeutete LSD die suche nach erleuchtung
und antwort auf tausende von fragen über die äußere
welt und das innere selbst.
One
pill makes you larger
And one pill makes you small
And the ones that mother gives you
Don't do anything at all
Go ask Alice
When she's ten feet tall
And
if you go chasing rabbits
And you know you're going to fall
Tell 'em a hookah smoking caterpillar
Has given you the call
Call Alice
When she was just small
When
men on the chessboard
Get up and tell you where to go
And you've just had some kind of mushroom
And your mind is moving low
Go ask Alice
I think she'll know
When
logic and proportion
Have fallen sloppy dead
And the White Knight is talking backwards
And the Red Queen's "off with her head!"
Remember what the dormouse said:
"Feed your head
Feed your head
Feed your head"
"White
Rabbit"
Jefferson Airplane - 1967 - "Surrealistic Pillow"
1967
erschien auf den fernsehschirmen eine serie, die, im nachhinein
gesehen, absolut perfekt dem suchenden zeitgeist entsprach.
Natürlich spielen drogen in NUMMER 6 eine große
rolle. In verschiedenen episoden wird die persönlichkeit
unseres helden immer wieder mehr oder weniger offen mit drogen
behandelt. In einer davon, "Harmony", geht es um den
direkten gebrauch eines halluzinogens zur erzeugung einer fantasiewelt.
Darin, so die hoffnung von Nummer Zwei und The Kid, werde ihr
opfer schließlich zerbrechen. Die geschichte hat viele merkmale
eines LSD-trips - verzerrte realität, vertraute gesichter
in fremder umgebung und abrupte veränderung der wahrnehmung.
Vor allem als Nummer Sechs wieder zu sich kommt, angezogen im
Village-stil, und erkennt, dass aus lebenden personen plötzlich
lebensgroße pappbilder geworden sind und darüber hinaus
der Ort sich nur in hörweite der fantasie-westernstadt befindet.
Vielleicht
war der einfluss von LSD auf NUMMER 6 sogar noch größer
als gedacht. Gelegentlich wurde behauptet, die ganze serie - alles,
was Nummer Sechs im Ort und außerhalb, von der ersten bis
zur letzten folge, passiert - sei ein traum. Aus "psychedelischer"
perspektive betrachtet, sieht NUMMER 6 jedoch eher nach einem
trip, oder einer reihe trips, im fernsehformat aus.
Bewusstseinsverändernde
drogen der einen oder anderen art sind seit jahrhunderten bekannt.
Kurz nach dem krieg begannen US-wissenschaftler mit studien über
mescalin. In kleinen dosen wirkte es wie LSD und erzeugte tiefgreifende
veränderungen im bewusstsein. Buchstäblich "beugt"
es das bewusstsein. Schon bald standen philosophen und schriftsteller
als "versuchskaninchen" schlange in der hoffnung, mescalin
würde ihnen dabei helfen, einige der ältesten rätsel
der menschheit zu lösen; wie etwa das von bewusstsein und
natur und die beziehung zwischen gehirn und bewusstsein. Aus den
versuchen ergab sich schnell, dass mescalin und LSD die versuchskaninchen
zu kontemplationen über die allergrundlegendsten religiösen
und mystischen fragen brachte: wer bin ich, was ist mein platz
in der welt? Oder anders ausgedrückt, was genau ist das individuum?
Und welcher art ist die beziehung des individuums und seiner umwelt,
in der es lebt?
Das wiederrum ist ein thema, das jeden fan von NUMMER 6 bewegt.
LSD
- Lysergsäurediethylamid (auch LSD-25; im Slang Acid,
Säure genannt) ist ein halluzinogenes und
entheogenes Mutterkornalkaloid. Pharmazeutisch gehört
LSD zur Gruppe der serotoninverwandten psychedelischen Substanzen.
Lysergsäurediethylamid ist eines der stärksten
bekannten Halluzinogene. Dies gilt für D-LSD (das (5R,8R)-Stereoisomer).
Der Chemiker Albert Hofmann stellte während seiner
Forschungsarbeiten zum Mutterkorn Lysergsäurediethylamid
erstmals 1938 her, und zwar mit dem Ziel, ein Kreislaufstimulans
zu entwickeln. LSD wurde später unter dem Handelsnamen
Delysid® vom Pharmakonzern Sandoz zur psychiatrischen
Behandlung und zu Forschungszwecken bereitgestellt; weiter
bekannt war das Präparat Lysergamid®, durch den
tschechoslowakischen Konzern Spofa zwischen 1962 und 1974
hergestellt, das vor allem in die Ostblockstaaten (darunter
auch die DDR) exportiert wurde.
Nachdem
die erhoffte Wirkung als Kreislaufstimulans im Tierversuch
nicht eingetreten war, verlor Hofmann zunächst das
Interesse an LSD. Seine halluzinogene Wirkung entdeckte
Hofmann am 16. April 1943 durch Zufall, nachdem er die Substanz
vermutlich durch die Haut absorbiert hatte. Er wiederholte
dieses Erlebnis am 19. April 1943 durch die Einnahme von
250 Mikrogramm LSD. Verglichen mit der Wirksamkeit der damals
bekannten Mutterkornalkaloide, entsprach das der kleinsten
Menge, bei der man noch eine Wirkung hätte erwarten
können. Es stellte sich jedoch heraus, dass diese Menge
bereits dem Fünffachen der normal wirksamen Dosis (etwa
50 µg) von Lysergsäurediethylamid entsprach.
Dieses Datum gilt heute als Zeitpunkt der Entdeckung der
psychoaktiven Eigenschaften des LSD.
Der
Jahrestag wird von popkulturellen LSD-Anhängern als
Fahrradtag (Bicycle Day) gefeiert, da Hofmann
am Beginn seines Rauscherlebnisses mit dem Fahrrad nach
Hause fuhr. Hofmann setzte sich zeitlebens dafür ein,
dass psychedelische Substanzen wie das LSD zu Forschungszwecken
legalisiert werden sollen. Optimistisch äußerte
er die Ansicht, die richtige Anwendung von LSD in der menschlichen
Kultur sei eine Frage der Zeit. (Quelle: Wikipedia)
|
Wir
stehen hier jedoch vor dem großen problem, die serie von
einem "psychedelischen" standpunkt aus betrachten zu
wollen, bei gleichzeitiger unmöglichkeit, mit schlichten
worten erklären zu können, wie ein LSD-trip eigentlich
ist. Der LSD-guru Timothy Leary war sich dessen bewusst.
In seinem buch "The Politics of Ecstasy" schrieb er:
"Wir haben keine bessere experimentelle sprache. Wenn
einem eine kurze reise ins innere göttlicher prozesse erlaubt
wäre, etwa in einen atomkern oder zu einer lichtjahreweiten
fahrt durch die galaxien, wie um alles in der welt würden
sie das beschreiben, was sie dort gesehen haben, nachdem sie völlig
außer atem zurück in ihrem büro sind? Die metapher
scheint weither geholt oder unbedeutend zu sein. Aber fragen sie
mal jemand, der eine gute dosis LSD genommen hat."
Wie
würden Sie sich auflösende linienbusse beschreiben,
musiknoten, die sich in der luft materialisieren oder lächelnden
schnee? Im berühmtesten LSD-song, "Lucy In the Sky with
Diamonds" von den Beatles, gibt es zeitungstaxis und
marmeladenhimmel, knetpförtner mit lupenkrawatten.
Was soll das alles?
Vielleicht
ist es anmaßend zu behaupten, dass ein einfaches fernsehprogramm
zuschauern solche einblicke in die "äußere und
innere welt" erlauben könnte. Was NUMMER 6 jedoch fraglos
erreicht hat, war, uns aus den gewohnten bahnen der wahrnehmung
zu werfen. Nichts vergleichbares hat es vorher oder danach im
fernsehen gegeben. Ob man es nun mag oder nicht, NUMMER 6 hat
tausenden zuschauern (einschließlich, darf man annehmen,
mitgliedern von SIX OF ONE) das bewusstsein geschärft für
den sinn des lebens, das individuum, Nummer 1 oder wie man es
auch immer nennen will.
NUMMER
6 steckt voller rätsel. Die lassen sich vielleicht auflösen,
wenn man die serie aus der "psychedelischen" perspektive
betrachtet. Wobei hier nicht gesagt werden soll, dass eine komplette
LSD-erfahrung auf den bildschirm gebracht wird. Das wäre
wegen ihres "bewusstseinsbeugenden" charakters unmöglich.
Doch fördert die untersuchung einiger szenen und episoden
deutliche LSD-bezüge zutage. "Harmony" wurde bereits
erwähnt.
Auf
jeden fall springen einem die episoden "A, B und C",
"2:2=2" und "The Schizoid Man" förmlich
ins gesicht als beispiele für den verstand "außer
sich", außerhalb des körpers und unter umständen,
die sich der kontrolle des subjekts (anm.: im original "victim"
- "opfer") zu entziehen scheinen. Bei den ersten
beiden ist das offensichtlich. In "The Schizoid Man"
aber hat Nummer Sechs die illusion, dass er sich im körper
eines anderen befindet - sein äußeres erscheinungsbild,
sein handeln, seine reaktionen sind nicht so, wie er es erwartet.
Bei einem LSD-trip ist das eine eher normale erfahrung - man sieht
sich selbst von außerhalb, ein gefühl, dass jemand
einfluss auf das eigene schicksal genommen hat.
"Die
Glocken von Big Ben", "Herzlichen Glückwunsch"
und "Hammer oder Amboss" sind geradlinige stories (wenn
es denn so etwas wie geradlinigkeit bei NUMMER 6 gibt) ohne drogenbezüge.
Die ersten zwei handeln von gescheiterten fluchtversuchen und
von der allumfassenden macht des Ortes; wer zu fliehen versucht,
wird zurückgebracht.
Die ersten momente eines LSD-trips, bevor die droge richtig wirkt,
bescheren dem benutzer inmitten von höchst fantastischen
visionen augenblicke von überraschender klarsichtigkeit.
Auch panik stellt sich oft ein und der wunsch, die droge "abzuschalten",
bevor es zu spät ist. Hat aber ein halluzinogen seinen weg
durch die blutbahn aufgenommen, gibt es keinen ausweg mehr, bis
die wirkung nachlässt. Der benutzer ist in seinem halluzinierten
Village gefangen und gezwungen, dort bis zu seinem eigenen "Fallout"
(anm.: originaltitel der letzten episode; mehr
über die episodentitel der serie) zu bleiben.
"Hammer
oder Amboss" ist in mehrfacher hinsicht eine seltsame episode.
Nummer Sechs ist darin absolut rational in seinen handlungen (nicht
durch drogen oder sonstwie beeinflusst), er macht aber auch keine
anstalten, aus dem Ort zu fliehen. Im gegenteil, er setzt seinen
verstand ein, um Nummer Zwei zu manipulieren und am ende zu zerstören.
Der zustand von Nummer Zwei in einem wort: paranoia. Interessanterweise
kann ein trip unter bewusstseinsverändernden drogen paranoia
hervorrufen - der sogenannte "bad trip".
"Das
Amtssiegel" ist eine weitere außergewöhnliche
episode und erfordert äußerst sorgfältige betrachtung
- aber nicht im zusammenhang mit drogen. In "Der General",
"Schachmatt" und "A Change Of Mind" geht es
um gehirnwäsche oder bewusstseinsmanipulation, in allen wird
das thema verzerrte realität angerissen. "Der General"
ist konventionell erzählt, man kann die episode oberflächlich
genießen, und doch sind da düstere untertöne,
die man nicht einfach abtun kann. Was zum beispiel ist die bedeutung
der "ausschuss-sitzung" ("board meeting"),
den zombies mit ihren dunklen brillen, alle gleich angezogen und
mit gleichgeschaltetem verstand, die sich in einem schwer bewachtem
raum treffen? Eine parodie auf den akademismus oder auf die blinde
staatskontrolle der bildungsinhalte? Möglich. Die szene fällt
jedenfalls völlig aus dem rest der episode heraus.
"Schachmatt"
bietet mit dem menschlichen schachspiel eine der lebhaftesten
szenen der ganzen serie, zeigt aber auch die "rehabilitierung"
des (darstellers des) "Turms", die diesen wieder zu
den regeln des spiels zurückführt. "Schachmatt"
ist eine zentrale epsiode der serie, und die schlussfolgerungen
hinsichtlich LSD scheinen ziemlich eindeutig. "A Change Of
Mind" beschwört einen weiteren LSD-typischen erzählstrang
herauf - das gefühl der unzulänglichkeit, schuld und
mangelnder erfolgs im leben. Dies muss zunächst in form eines
"bekenntnisses" gestanden werden, damit der betroffene
entsprechend behandelt werden und wieder in die gemeinschaft zurückkehren
kann. Man versucht, Nummer Sechs umzuwandeln, er aber bekämpft
diesen versuch und dreht den spieß in seinem sinne um. Aus
LSD-sicht gesprochen: Er verweigert sich der selbstuntersuchung
sowie der selbsterniedrigung, wenigstens zeitweilig. Dies ist
nur eine facette des Village-trips, die ihm notgedrungen immer
wieder begegnen wird.
Mit
"Die Anklage", wahrscheinlich die komplexeste episode
überhaupt mit ihren mythologischen anklängen und ihrer
farbenprächtigen maskerade, kommen wir zur schuldfrage zurück.
Nummer Sechs wird der prozess gemacht, aber was für ein bizarrer
prozess ist das, mit Napoleon und Caesar als richter und Little
Bo-Peep (anm.: schäferin eines kindergedichtes) als anklägerin.
Im rahmen eines maskenballs ist das auftreten dieser figuren in
ordnung, aber auch in berichten von LSD-experimenten kommen immer
wieder historische oder fiktive personen vor, solche aus kinderreimen
oder märchen und in mannigfacher verkleidung.
"--3-2-1-0" - LOTUS ELAN IN A SPIN...
Es
bleiben somit vier episoden, die genau diese halluzinatorische
ebene zu umfassen scheinen.
"---3-2-1-0" ist ein märchen mit LSD-typischen
elementen - fantasiegestalten, bizarre orte, das pantomineduell
zwischen den beiden hauptfiguren (pantomime mit dunklen obertönen:
maschinengewehre, cyangaskerzen und todesfallen). Manche szenen
wie die auf dem rummelplatz und die wunderbar surreale autoverfolgungsjagd
erscheinen wie zielsichere LSD-kreationen einer verschrobenen
wahrnehmung. Es hat im fernsehen wohl kaum eine bessere darstellung
eines LSD-trips gegeben wie den moment, als das fahrzeug in voller
fahrt - mitsamt straße - sich zu drehen beginnt. In "A,
B und C" gibt es etwas ähnliches im dritten traum, als
Nummer Sechs den partyraum wieder betritt und dieser zu schwanken
beginnt - ein hervorragender visueller gag, aber auch ein surrealer
und "psychedelischer" augenblick, als Nummer Sechs den
spiegel geraderückt und den raum gleich mit.
MÄRCHEN
ODER ROUND-TRIP TRANSPORTATION?
Die
episode jedoch, die am deutlichsten eine verbindung zwischen NUMMER
6 und LSD schafft, ist zweifellos "Free For All".
Im grunde ist "Free For All" eine satire auf die wahl(kampf)prozesse
in demokratien. Die episode ist aber keinesfalls eine klare und
geradlinige erzählung. Von welcher seite man sich ihr nähert,
oberflächlich oder eingehend analytisch, sie macht in keiner
hinsicht sinn. Drehbuchautor Paddy Fitz (anm.: dem autor damals
offenbar nicht bekannt: pseudonym von Patrick McGoohan) bringt
seinen helden dazu, für das amt von Nummer Zwei zu kandidieren.
Er wird zum opfer einer wahlhysterie, bekommt eine gehirnwäsche
und ist der trottel, der von seinen mitbewohnern, den wählern
diesmal, manipuliert wird. Natürlich gibt es da auch einen
verrückten fluchtversuch und wahnwitzige anstrengungen des
wahlsiegers, sich selbst und die mitbewohner aus dem Ort zu befreien.
"THE
GIRL WHO WAS DEATH"
Untersucht
man die struktur von "Free For All" nach einem zusammenhängenden
gerüst, wird man keins finden. Sinn, den anschein von ordnung
macht sie nur aus der LSD-perspektive. Betrachten wir den ablauf
der handlung.
Nummer Sechs erklärt sich einverstanden, für das amt
von Nummer Zwei zu kandidieren. Doch schon bei seiner antrittsrede
auf dem Gloriette-balkon bezeugt er vor der menge seine aufsässigkeit.
Er wird vor einen "wahlkampfrat" gerufen, wo er erneut
unbotmäßig spricht. Dafür wird er von Nummer Zwei
wegen "ernsthafter verletzung der etikette" verurteilt.
Daraufhin findet er sich in einem dunklen und rot erleuchteten
tunnel wieder, wo er herumgewirbelt wird, bevor er mit grünlichem
gesicht in einem kreisförmigen raum landet, wo ihn die merkwürdigste
person im ganzen Ort empfängt. Er muss sich dem unsinnigen
"wahrheitstest" unterziehen, einer art elektroschockfolter,
und wird dann als angemessen geheilt entlassen, um seinen wahlkampf
wieder aufzunehmen.
Von
hier an wird die episode mehr und mehr abstrus, vor allem, als
Nummer Sechs die "therapiezone" betritt. Er gewinnt
schließlich die wahl und wird triumphal zum sitz von Nummer
Zwei gebracht. Der "psychedelische" großbildschirm
dort fesselt ihn förmlich, und er verliert seinen ohnehin
schwachen psychischen halt. Sicherheitspersonal des Ortes trifft
ein und verprügelt ihn ohne grund sehr heftig.
Den halluzinatorischen charakter dieser episode verstärken
auch die karnevalsatmosphäre des wahlkampfs, das komische
zimmermädchen mit ihrem geplapper in einer völlig unverständlichen
sprache sowie, am sonderbarsten von allem, die höhle neben
dem raum von Nummer Zwei, mit stroh auf dem boden und vier personen
darin, die Rover huldigen. Was soll uns das sagen? Sollte eine
tiefere bedeutung in dieser szene liegen, dann viel zu tief auch
für den aufmerksamsten betrachter.
BAD
TRIP - NUMMER SECHS UNTER EINFLUSS: "FREE FOR ALL"
Wir
kommen zu den beiden letzten episoden. Wenn ein LSD-trip, wie
zuvor beschrieben, so etwas wie eine reise sein kann, eine suche
durch den verstand hindurch, und wenn man NUMMER 6 auf diese art
und weise rezipieren kann, dann stehen "Pas de deux"
und "Demaskierung" stellvertretend für das ultimative
halluzinatorische erlebnis.
"Pas
de deux" stellt sich dar als "verfahren", eine
untersuchung der vergangenheit von Nummer Sechs. Jeder einzelne
abschnitt seines lebens, von der wiege bis zu seinem rücktritt
vom dienst, wird einer rigorosen neubewertung unterzogen. Während
man ihn durch die lebensjahre führt, ist unser held widerstandslos
in hypnotischer trance. Natürlich, wie in allen vorigen episoden,
gewinnt er auch hier ausreichend kontrolle zurück, um seinen
widersacher letztendlich zu schlagen. Aber wir haben doch die
persönlichkeit von Nummer Sechs völlig offengelegt gesehen.
Ähnlich wie in "A Change Of Mind" oder "Die
Anklage" wurde das individuum, das innere selbst, vielleicht
die seele, seziert. Diesmal aber gibt es kein urteil "schuldig",
es gibt überhaupt kein urteil. Es braucht keins zu geben.
Nummer Sechs hat den kampf überstanden, den letzten test,
und - da er Nummer Zwei besiegt hat - bewiesen, dass er bereit
ist, Nummer Eins von angesicht zu angesicht gegenüber zu
treten.
Menschen
mit LSD-erfahrung haben oft von "prozessen" oder "verfahren"gesprochen,
in denen sie sich wiederfanden und worin sie sich einer kreuzbefragung
ausgesetzt sahen. Einer sah sich dabei auf einem "großen
thron-ähnlichen stuhl sitzend" und von einer "gestalt
in einem weißem umhang" befragt. "Unter dem
umhang da war kein gesicht, nur tintenschwärze, und die gestalt
fragte mich ständig. Ich merkte, dass die stimme aus meinem
kopf kam. Um mich herum in dem raum waren dinge aus meiner vergangenheit
- mein alter schreibtisch, mein bett, meine alten spielsachen.
Meine elektrische eisenbahn fuhr um meine füße herum.
Die gestalt hielt ein großes buch, jede seite war wie ein
kapitel meines lebens. Er schlug die seiten um und fragte schien
alles wissen zu wollen, was ich jemals gemacht hatte. "Warum
hast du das so gemacht?" und "Warum hast du das getan?"
- das schienen seine fragen zu sein. Er hielt mir vor, ich hätte
in meinem leben nur dumme fehler gemacht und falsche entscheidungen
getroffen. Er zeigte mir, dass mein leben anders verlaufen wäre,
hätte ich etwas anders gemacht."
VERSAMMLUNG
DER MASKIERTEN IN "DEMASKIERUNG" - "FALLOUT"
Wir
sprechen von gesichtslosen gestalten in weißen umhängen
- das führt uns geradewegs zur episode "Demaskierung".
Wir erreichen den höhepunkt des "Village-trips"
von Nummer Sechs.
Er
erhält die chance, Nummer Eins zu treffen und steht vor der
wahl, "zu bleiben oder zu gehen." Im halluzinatorischen
sinn ist Nummer Sechs jetzt, da er den allerletzten test bestanden
und seine seele bewahrt hat, bereit zu akzeptieren, dass er ist,
was er ist und bereit, sein eigenes verborgenes gesicht, das seine
Nummer Eins ist, anzunehmen. Und mehr noch, indem er sich entschließt,
den Ort zu verlassen und zurück in die äußere
welt zu gehen, akzeptiert er die wirklichkeit, das ende seines
"trips". Da gibt es keine alternative. Aus LSD-sicht
bedeutet die weigerung, in die wirklichkeit zurückzukehren,
das ende im tod. Mit der zerstörung des Ortes scheint
Nummer Sechs zu sagen: "Das ist mein letzter trip. Er ist
vorbei."
Mit
sich zurück in die außenwelt nimmt er die beiden hälften
seiner persönlichkeit: Nummer 48, der youngster, der hippie,
ein rastloser geist; eine seite seiner persönlichkeit, die
ganz klar zu seiner vergangenheit gehört und die nie zu zähmen
ist. Sowie Nummer Zwei alias autorität und reife, das establishment.
Er kehrt zum House of Lords zurück, dem sitz der macht, und
scheint somit seinen platz im system wieder einzunehmen.
Wie
schon in "Free For All" macht das sich abspielende drama
bis zur "Demaskierung" von Nummer Eins keinen vernünftigen
sinn. Und tatsächlich ist diese letzte folge der höhepunkt
an surrealismus und ein "psychedelisches" erlebnis par
excellence.
Die
verhüllten gestalten rational zu erklären, die dampfröhren,
das "auge" von Nummer Eins, die bewaffneten wachen oder
die behandlung an Nummer Zwei, die ihn von den toten wiedererweckt,
ist unmöglich. Muss man auch gar nicht. Alles was man verstehen
muss, ist, dass Nummer Sechs Nummer Eins begegnet, und dass Nummer
Eins schon immer Nummer Sechs war... Und dass das abenteuer schließlich
vorbei ist.
Begleitet
von dem "psychdelischen" Beatles-meisterwerk
"All You Need Is Love" (mehr...),
"kommen wir runter" von unserem "trip",
unserer reise ins zentrum des verstands, und erreichen unseren
halluzinatorischen und physischen "abgang" (anm.:
im original "fallout" - abgang, ausfall, abtritt, nebenprodukt,
radioaktiver niederschlag) zurück in die realität.
ROBERT FAIRCLOUGH: POP
UND POLITIK
MEHR: SURREALISMUS
Ob
NUMMER 6 nun direkt von drogenerfahrungen inspiriert ist oder
nicht, ganz sicher ist es ein visionäres werk. Bewusstseinserweiternde
substanzen sind bloß ein weg zum zustand der erleuchtung.
Seit urzeiten hat der mensch viele wege zur geistigen erfüllung
und beantwortung ewiger fragen beschritten.
Es
lässt sich darüber streiten - und wird auch häufig
getan - dass durch chemische substanzen erzeugte visionen keine
wahren visionen seien, im spirituellen sinn und überhaupt.
Und doch funktionieren halluzinogene in der chemie des körpers
ganz genau so wie jahrundertealte methoden: meditation, fasten,
gesang, sensorische deprivation, geißelung. Diese methoden
unterdrücken die bewusstseinsmäßige kontrolle
und ermöglichen die offenlegung des unbewussten. Ob nun christliche
heilige oder fernöstliche spiritualisten, es verwundert nicht,
dass sie in einem solchen zustand göttliche visionen hatten.
Welchen
weg man auch immer nimmt, visionäre wurden häufig von
ihren anhängern geschmäht. So erging es auch Patrick
McGoohans wunderbarem werk vor 40 jahren, das von den medien verrissen
wurde. Aldous Huxley etwa hat sich über die verwendung
theatralischer mittel und inszenatorischer spektakel gedanken
gemacht, die jahrhundertelang eingesetzt wurden, um der breiten
masse visionen nahezubringen. Passionsspiele, mittelalterliche
turniere, masken, feuerwerke und feierliche staatsakte sind seine
beispiele für "visionäre kunst".
Vor
200 jahren revolutionierte die laterna magica die vorstellung
von einem spektakel und schuf einen viel deutlicheren visionären
stimulus. Für die zeitgenossen war eine vorrichtung, die
mit weißem licht durch farbiges glas bilder - anscheinend
aus dem äther heraus - auf einem schirm erzeugte, eine faszinierende
sache. Die technik und bildschirmunterhaltung sind seitdem weit
gekommen, das fernsehen gehört so sehr zu unserem leben,
dass wir kaum einen moment ernsthaft daran denken. Aber gewissenhaft
und mit einfallsreichtum eingesetzt, kann fernsehen - wie im falle
NUMMER 6 - immer noch äußerst magisch sein. Für
den hinterfragenden geist ist es die kraft, die bei aller werbung
und sitcoms eine visionäre erfahrung ermöglicht.
ZEITGENÖSSISCHER
TRIP: ROGER CORMANS THE TRIP (1967)
Der
zuschauer kann mit unserem helden eine reise durch den Ort, in
Huxleys sinn einen magischen "trip" durch die
"türen der wahrnehmung", unternehmen, der den blick
auf die welt für immer verändern kann. Es kommt vielleicht
nicht zu einer erleuchtung, vielleicht begegnet man auch nicht
seiner eigenen Nummer Eins, aber zumindest wird man als indivuduum
besser vorbereitet sein. Wie schrieb Huxley:
"Wer durch die tür in der wand zurückkehrt,
wird nie ganz derselbe sein wie derjenige, der durch sie hinausging.
Er wird klüger sein, aber weniger überzeugt, glücklicher
aber weniger selbstgenügsam, demütiger in der akzeptanz
der eigenen unwissenheit, aber besser in der lage sein, das verhältnis
von wort zu sache zu verstehen, das systematische argumentieren
gegenüber dem unergründlichen mysterium, das man ewig
umsonst versucht zu verstehen."
Howard Foy war redakteur der früheren SIX OF ONE-mitgliederzeitschrift "Number Six". Der text erschien in heft 7/1987, hier leicht gekürzt.