Gießener Gesichter Paare Ludwigsplatz

 

Alte Postkarten von Gießen zeigen außer den Kuppelbauten am Selterstor, dem Marktplatz und der Schulstraße sehr oft auch den Ludwigsplatz. Dabei ist nicht recht ersichtlich, warum der Ludwigsplatz ein begehrtes Foto-Objekt sein sollte. Es gibt hier Gründerzeitgebäude, aber keine hochherrschaftlichen Paläste. Zu sehen bekommt man tendenziell drei Ansichten: die Straße in Richtung Neuen Bäue, die bis zur Kreuzung Süd- und Ostanlage und bis in die 60er Jahre hinein Gartenstraße hieß; die Grünberger Straße stadtauswärts, die einmal Kaiserallee hieß; und der umgekehrte Blick aus der Grünberger Straße in Richtung Ludwigsplatz wie im Foto von etwa 1941; die Ludwigstraße links, rechts um die Ecke zur Süd- und Ostanlage.

Im Unterschied zum Zustand heute als Verkehrsader mit Richtungsfahrbahnen und Abbiegespuren war der Ludwigsplatz früher viel mehr durch die umgebende Bebauung und jahrzehntelang durch seine eigene Funktion als Grünanlage definiert. Der Wasserbrunnen darauf muss attraktiv genug gewesen sein, sodass auf mancher Ansichtskarte die Wasserfontäne per Retuschestift eingefügt wurde, weil sie zum Zeitpunkt der Fotoaufnahme gerade nicht in Betrieb war. Ungefähr rechts neben dem heutigen Dach-Café war die Weinstube Seibel mit einer Gartenwirtschaft. Nicht zu vergessen, die Ludwigstraße war wie das Südviertel insgesamt eine gehobene Wohngegend. All das dürfte der Grund gewesen sein, den Ludwigsplatz auf Ansichtskarten zu vermarkten. Noch bis in die späten 60er Jahre wird der Ludwigsplatz mit seiner inzwischen neuen Bebauung, dem Dach-Café, dem Arkaden-Rundbau, für Ansichtskarten abgelichtet. Aber schon zu der Zeit ist die Grünanlage viel weniger geworden, die großen Bäume sind verschwunden ebenso wie der Brunnen und vor allem, immer mehr Fläche wird für den Straßenverkehr abgeknapst. Selten so schön zu sehen wie hier.

Weil die Gießener unbedingt eine schöne Straßenschlucht wie in der Großstadt haben wollten, bekamen sie die 1959, als an der Ecke Gartenstraße/Ludwigstraße das Dach-Café gebaut wurde. Platz war genug vorhanden, die alten Häuser am Anfang der Ludwigstraße waren wie der Ludwigsplatz selbst total zerstört worden. Die Bauhöhen sprengten jegliches Vorkriegsniveau. Aus dem Teilstück der Gartenstraße in Richtung Südanlage wurde etwas später der überbreite Berliner Platz mit dem Behördenhochhaus und dem Stadthaus und ab 1966 mit der Kongresshalle. Die verbliebene Verkehrsinsel vor dem Dach-Café wurde endgültig zu dem, was Gießen wirklich kann: Parkplätze. Der lange Zeit gern als ampelfreie Abkürzung in die Ludwigstraße genutzte Rest der Gartenstraße wurde irgendwann zur Sackgasse. Bis heute. P.S. Die Gartenstraße existiert immer noch jenseits der Ludwigstraße.

Das digitale Abbild der Stadt Gießen im Mesh-Format basiert auf Daten der Luftbildbefliegung im März 2020. Vermessungsamt Gießen

Juli 2023

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