Gießener Gesichter Paare Selterstor und Seltersweg

 

Das Selterstor war einstmals das an der Straße nach Süden liegende Stadttor in der Gießener Stadtmauer. Die stadtbildprägenden Kuppelgebäude am Eingang zum Seltersweg, links zur Westanlage, rechts zur Südanlage, entstanden kurz vor und kurz nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Jahrzehntelang standen auch Bäume sowie zwei sogenannte Oktroi-Häuschen, frühere Zollgebäude, an diesem Eingangsbereich zur Innenstadt. Ab 1939 wurde die Kreuzung umgebaut, 1940 ein Kreisverkehr angelegt, der bis 1968 bestand. In dem Jahr kam das Elefantenklo.
Die Kuppelgebäude wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Der dahinter liegende Teil des Selterswegs blieb bis zur Goethestraße auf beiden Seiten relativ intakt. Mitte der 50er Jahre verlegte der Karstadt-Konzern sein Haus an den oberen Seltersweg und ließ auf der linken Seite einen Altbau abreißen, in einem zweiten Schritt auch das Nachbargebäude bis hin zur Kinogasse. Und Mitte der 80er Jahre erweiterte Karstadt sein Haus bis direkt an die Westanlage.

Die berüchtigte "Fußgängerplattform Selterstor", vulgo: Elefantenklo, ist ein Relikt aus der Zeit, als ein Netz innerstädtischer Schnellstraßen und eine monströse Überführung über den Bahnübergang in der Frankfurter Straße geplant wurden. Dabei hätte das Elefantenklo die Aufgabe gehabt, den Fußgänger- und Autoverkehr feinsäuberlich voneinander zu trennen. Auf allen vier Seiten sollte es Zugänge zu Geschäfts-(hoch-)häusern bieten. Es kam alles ganz anders. Nur Karstadt hatte jemals einen Zugang, und den auch erst zwanzig Jahre später bei der Kaufhauserweiterung. Mitte der 80er Jahre bei der ersten größeren Betonsanierung wurde erwogen, die Plattform zu überdachen und mit Gastronomie zu bestücken. Die Aufgabenstellung erwies sich als zu komplex für die Statik der (letztlich zu schlichten) Betonplatte, es wurde nichts daraus. 2007 sollte ein imposanter silbriger Imbisswagen im US-amerikanischen Stil das Elefantenklo aufwerten. Aber auch dieser Anlauf scheiterte vorhersehbar. Niemand will dort oben verweilen. Inzwischen, 2023, wächst buchstäblich Gras über die Sache bzw. aus allen Ritzen, ist der Abriss nicht mehr undenkbar, sobald entweder die Stabilität nicht mehr gewährleistet sein sollte oder die Kosten für die nächste anstehende Sanierungswelle fällig werden.

Dieser Autor empfiehlt die Translozierung des Bauwerks: als Mahnmal und Mittelpunkt eines neu zu errichtenden Kreisverkehrs an der Kreuzung Robert-Sommer-/Frankfurter Straße/Ringauffahrt.

Auf dem Standbild aus einem Film der 50er Jahre blickt man aus der Westanlage über den Kreisverkehr am Selterstor auf das Café Hettler an der Ecke zur Frankfurter Straße, das um 1961 noch in Betrieb war; ein ganzer Gebäudekomplex. Er stand noch bei der Eröffnung des Elefantenklos und wurde Anfang der 70er Jahre abgerissen. Das Gelände diente dann lange Zeit als öffentlicher Parkplatz, wen wundert es.

Das digitale Abbild der Stadt Gießen im Mesh-Format basiert auf Daten der Luftbildbefliegung im März 2020. Vermessungsamt Gießen

Juni 2023

Kreuzplatz (Süd)

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