Gießener Gesichter Paare Brandplatz

 

BRANDPLATZFOTOS OBEN: GUNTER KLUG

Noch zu Beginn der 80er Jahre waren weite Bereiche des Brandplatzes in Richtung Lindenplatz/Walltorstraße, wie auf dem Foto oben zu sehen, unbebaut, ein riesiges Trümmergrundstück und ein Parkplatz. Mitte der 80er Jahre wurden nach langen, heftigen Debatten um die Nutzung des Brandplatzes das neue Turmhaus (viel mächtiger als das alte) sowie ein Gebäudekomplex mit Innenhof und Geschäften errichtet. Das Steckenpferd der Gießener Stadtplanung – eine öffentliche Tiefgarage – blieb der Allgemeinheit damals erspart. Auch weil die Angst umging, der Botanische Garten könnte durch Grundwasserabsenkung Schaden nehmen.

"Ich habe ein infernalisches Gedächtnis" – legendäre mahnende Worte von Frau Böhm (Böhme?) an die anwesenden Lokalpolitiker ob ihrer unzutreffenden Ankündigungen und Versprechungen in der Vergangenheit während einer Informationsveranstaltung im damaligen "Wiener Wald"; eine vehemente Verfechterin für den historischen Wiederaufbau und gegen die vorgeschlagene Tiefgarage. Der Platz als solcher ist seit Jahrzehnten ein beliebter und angeblich unverzichtbarer Innenstadt-Großparkplatz. Aber die Diskussion darüber, was aus dem Brandplatz werden soll, ist nicht zu Ende. Derzeit werden Gestaltungs- und Nutzungsvorschläge geprüft. Dass die meisten Autoparkplätze dereinst verschwinden werden, scheint sicher zu sein.

Der Gießener Brandplatz trägt den Namen "Brand" oder auch "Am Brand" seit 1580, als gut 150 Häuser der damaligen Altstadt bei einem Großfeuer abbrannten. Danach blieb die Fläche unbebaut. Auf dem Stadtkirchenturm tat seither ein Feuerwächter Dienst. In das Ende des 19. Jahrhunderts neu errichtete Turmhaus am Brandplatz zog die erste freiwillige Feuerwehr der Stadt ein. In dieser Zeit entstanden auch die Marktlauben und die gleichnamige Straße.

FOTOMONTAGE: ARNO BAUMGÄRTEL

Den wenigsten ist bewusst, dass Gießen gleich zwei Schlösser in seinen Stadtgrenzen hat, wobei das Alte Schloss – ein wenig paradox – jünger ist als das Neue Schloss. Erbaut wurde es um 1350 als zusätzliche Befestigung und zweite Wasserburg. Die Schlossgasse bildete den Verbindungsweg zur Burg am Kirchenplatz. Ab 1604 war es die fürstliche Kanzlei, daher auch der Straßenname Kanzleiberg. Bis ins 19. Jahrhundert diente es als Nebenresidenz, Witwensitz und Hofgericht. 1893 ging das Alte Schloss in sehr schlechtem baulichen Zustand an die Stadt über und wurde anschließend innen und außen grundlegend, aber auch dem Zeitgeschmack entsprechend restauriert, um es als Museum zu nutzen. In Richtung Botanischer Garten gelegene Anbauten wurden abgerissen. Im Zweiten Weltkrieg wurde es bis auf ein paar Außenmauern zerstört, nur der Turm blieb weitgehend erhalten. Schließlich wurde die Ruine Mitte der 70er Jahre abgetragen und das Gemäuer äußerlich historisierend (nunmehr ein Betonskelett) rekonstruiert. Sein heutiges Aussehen entspricht in etwa dem von 1905.

Direkt neben dem Alten Schloss, heute also im Botanischen Garten, stand das sogenannte Collegiengebäude der Universität aus dem 17. Jahrhundert. 1839 wurde es abgebrochen und neu erbaut. Dieser Bau fiel dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer und wurde in den 50er Jahren ersatzlos abgerissen. Der Brandplatz sähe ansonsten deutlich anders aus.

Das Neue Schloss von 1533, auf der anderen Seite des Platzes, ist baugeschichtlich wegen seiner Kombination aus Naturstein und Fachwerk bedeutsam. Das Zeughaus nebenan ist aus dem Jahr 1586. Beide Gebäude stehen im rechten Winkel zueinander und waren als Hof angelegt, sie dienten bis um 1898 als Kaserne. Im Zeughaus lagerten Waffen und Munition. Nachdem diese Nutzung in der Innenstadt aufgegeben worden war, wurde die Anlage zwischen 1899 und 1907 für zivile Zwecke restauriert. Dabei entstand auch die Senckenbergstraße. Das Neue Schloss blieb im Krieg fast unbeschädigt, während das Zeughaus bis auf die Außenmauern ausbrannte und zu Beginn der 50er Jahre äußerlich wiederhergestellt wurde. Seither sind darin Universitätsinstitute untergebracht.

Das digitale Abbild der Stadt Gießen im Mesh-Format basiert auf Daten der Luftbildbefliegung im März 2020. Vermessungsamt Gießen

Juni 2023

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