Gießener Gesichter Paare Volksbad

 

Keine Chronik über die Geschichte der Stadtentwicklung in Gießen, und hier ganz besonders die der Nachkriegszeit, ist vollständig ohne einen Blick auf das populäre Volksbad. Es befand sich an der Stelle, wo das Karstadt-Parkhaus steht, die Straße, die heute Reichensand heißt. Dort gab es vor dem Krieg eine kleine Grünanlage und kleinteilige Bebauung entlang der Westanlage. Vom Seltersweg aus führte die heute noch existierende Kinogasse zwischen Karstadt/Galeria und dem Nachbargebäude, seit 1935 der "Gloria-Palast", Gießens größtes Kino, dorthin. Das Kino wurde 1975 geschlossen.

Das Volksbad öffnete 1898, und es war nicht bloß ein Schwimmbad, sondern es stellte auch Wannenbäder zur Verfügung zu einer Zeit, als die wenigsten Menschen ein eigenes Bad im Haus hatten. Generationen von Kindern haben darin schwimmen gelernt. Das Gebäude (Foto links oben 30er Jahre, links unten Mitte 60er Jahre) zeigte innen und außen architektonische Elemente des Jugendstils. Den Krieg hatte es unbeschädigt überstanden, aber dem neuen Zeitgeist war es nicht gewachsen.

Der Karstadt-Konzern hatte seinen Sitz vor dem Zweiten Weltkrieg sowie danach im (heutigen) Seltersweg 24, an der Ecke zum Teufelslustgärtchen. Mitte der 50er Jahre erweiterte er seine Geschäftsräume und verlegte sie an den oberen Seltersweg. In diesem Abschnitt hatte es kaum Zerstörungen gegeben, von den berühmten Kuppelbauten am Selterstor abgesehen. Für Karstadt wurden vom Krieg verschonte, nur ein paar Meter vom heutigen Elefantenklo entfernte Altbauten abgerissen. Als 1968 der Bau des Karstadt-Parkhauses beschlossen war, musste als nächstes das Volksbad Platz machen. Selbst Verfechter des autogerechten Umbaus der Innenstadt erkennen an, dass dessen Abriss eine städtebauliche Sünde war, verkennen aber im selben Atemzug, dass noch so schöne architektonische Einzelobjekte keine gewachsenen innerstädtischen baulichen Strukturen ersetzen können.

Das digitale Abbild der Stadt Gießen im Mesh-Format basiert auf Daten der Luftbildbefliegung im März 2020. Vermessungsamt Gießen

Juni 2023

Lost place: Georgenschanze

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