Gießener Gesichter Paare Landgraf-Philipp-Platz, Casino

 

Der Landgraf-Philipp-Platz ist die Verlängerung des etwas bekannteren Brandplatzes ab der Einmündung Brandgasse in östlicher Richtung. Er wird bestimmt durch das mächtige Gemäuer des Zeughauses und das Neue Schloss, beide im 16. Jahrhundert entstanden. Der Komplex diente lange Zeit als Kaserne und war mit Nebengebäuden viel enger bebaut, als man heute meint. Auf alten Postkarten wird das Zeughaus entsprechend als "alte Kaserne" bezeichnet. Der Platz, der im 16. Jahrhundert nach dem Großfeuer, das einen Teil der damaligen Altstadt vernichtet hatte,"Brand" hieß, war ursprünglich zur Ostanlage hin abgeschlossen. Die Landgrafenstraße wie die Senckenbergstraße entstanden erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die Grünanlage etwa um 1910.

Auf der Ostzeile des Platzes, hinter dem 1925 enthüllten Kriegerdenkmal (dessen Aussage man so oder so verstehen kann), standen vor dem Zweiten Weltkrieg wie eine Kulissenwand großbürgerliche Wohnhäuser. Die Nachkriegsbebauung ist dagegen sehr viel schlichter. Zwischen der Brand- und der Braugasse, wo das Regierungspräsidium Mittelhessen residiert, standen bis 1944 das vielfach auf Postkarten abgebildete frühere Kreisamt und die alte Polizeiwache. Das Gebiet wurde großflächig zerstört. Außer dem Neuen Schloss hat an der Ecke zur Braugasse nur das Haus mit der traditionsreichen Gaststätte "Zum Hawwerkaste" überlebt und davon auch nur das Erdgeschoss und der erste Stock. Das Zeughaus brannte völlig aus und wurde in den 50er Jahren als Universitätsgebäude äußerlich rekonstruiert.

Was nach Parkplätzen aussieht, sind leider auch welche. Gießens "lauschigster" Parkplatz befindet sich Seite an Seite mit dem Neuen Schloss. Dafür wurden der Grünfläche ein paar Quadratmeter abgezwackt. Und fast ist es ein Wunder, dass der restliche Bereich nicht auch schon lange von PKWs zugestellt wird. Seit kurzem werden rund um das Denkmal beim jährlichen Stadtfest eine Bühne und ein Biergarten aufgebaut, ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.

Die aktuelle und einzige Bebauung heutzutage auf der Zeughaus-Rückseite ist eine Reihengarage neben dem, was früher der Exerzierplatz war. An dieser fast leeren Stelle stand das Offizierscasino, auch Offiziersheim genannt. Das Gebäude mit einem Treppengiebel aus der Zeit der Erstbebauung des Platzes um und nach 1900 wurde in den 30er Jahren aus unbekannten Gründen umgestaltet und baulich "sachlicher". Seit der Wiederherrichtung des Zeughauses ist dort die Parkplatzeinfahrt.

Alles in allem hat der historischste Teil von Gießen noch viel Aufwertungsluft nach oben. Das würde mit einer Wiederherstellung des Eckhauses vom "Hawwerkaste" beginnen, und da Exerzierplätze heute kaum noch gebraucht werden, ist der halböffentliche Parkplatz, teils unter Platanen, nicht mehr als eine gigantische Mindernutzung von wertvollem städtischen Raum, den man sich früher nicht geleistet hätte. Eine behutsame Verdichtungsbebauung mit Wohnungen wäre angemessen. Und natürlich müsste der Parkplatzsuchverkehr dauerhaft verschwinden.

Das digitale Abbild der Stadt Gießen im Mesh-Format basiert auf Daten der Luftbildbefliegung im März 2020. Vermessungsamt Gießen

März 2024

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